Beim Nikolausempfang des Handelsverbandes Deutschland (HDE) in Brüssel machte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser beim Besuch von EU-Kommissar Günther Oettinger deutlich, dass die derzeit diskutierten Vorschläge für mehr Fairness in der Lebensmittellieferkette auch die generelle Glaubwürdigkeit der EU in Frage stellen:

„Wenn das Europäische Parlament völlig überzogene Forderungen auf den Tisch legt und damit am Ende billigend in Kauf nimmt, dass ein in der Praxis untaugliches und für die Verbraucher schädliches Gesetz heraus kommt, dann verspielt die Institution ihre Glaubwürdigkeit. Das fördert genau den Europaverdruss, den wir bekämpfen sollten.“ Der HDE-Präsident mahnte die gesetzgeberischen Sorgfaltspflichten der EU an: „Bevor die EU-Kommission eine Richtlinie erlässt, müssen die Folgen sauber abgeschätzt werden können. Das ist mit Blick auf aktuelle Vorschläge nicht geschehen. Die Bundesregierung darf einem solchen Schnellschuss im Europäischen Rat nicht zustimmen.“ Derzeit diskutieren EU-Gremien größenabhängige Schutzvorgaben für Vertragslieferanten des Handels. Diese Überlegungen sind erst in den letzten Tagen angestellt worden und deshalb nicht Teil der Folgenabschätzung der EU-Kommission für eine neue Richtlinie. Im Vergleich zu den bisherigen Entwürfen sind damit potentiell täglich Millionen zusätzlicher Transaktionen von der Regelung betroffen. Die Folgen, die das für Verbraucher und Lebensmittelpreise haben kann, kennt deshalb heute niemand. Sanktjohanser: „EU und Bundesregierung dürfen sich nicht auf einen Blindflug mit ungewissen Folgen für den Lebensmittelmarkt einlassen.“

Das EU-Parlament hatte in seinem Vorschlag für die Regulierung der Lebensmittellieferkette die ursprünglich acht Einschränkungen die Verhandlungen der Händler mit ihren Zulieferern auf 52 Verbote angehoben. Sanktjohanser: „Da legt die EU-Kommission einen Vorschlag vor, mit dem eigentlich kleinen Landwirten in der Lebensmittellieferkette geholfen werden soll und das Europäische Parlament will am Ende Genossenschaften im Handel und Initiativen für mehr Tierwohl verbieten, sowie große internationale Lebensmittelkonzerne bei ihren Verhandlungen mit dem Handel schützen.“ Der Handel verstehe diesen Vorstoß als Angriff auf die unternehmerische Freiheit. Und das treffe am Ende auch die Kunden: Denn wenn der Handel nicht mehr effektiv mit seinen Zulieferern verhandeln kann, dann werden Lebensmittel letztlich zu höheren Preisen als bisher eingekauft und teurer an den Endverbraucher verkauft werden müssen. Am Ende profitieren dann nur die ohnehin schon marktmächtigen internationalen Lebensmittelproduzenten.

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