Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat gemeinsam mit dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. eine Stellungnahme veröffentlicht, wie Innenstädte als Orte der Begegnung und bedeutender Wirtschaftsfaktor attraktiver gemacht werden können. Hierfür bedarf es eines Maßnahmenpakets aus steuerlichen Entlastungen für Investitionen, gezielten Förderungen und einer entsprechenden digitalen Infrastruktur sowie einen Dialog mit der Politik.
Sowohl HDE als auch BVDW sind davon überzeugt, dass die technologische Entwicklung am Point of Sale und die aktive Nutzung digitaler Mittel zur Belebung der deutschen Innenstädte beitragen und die Folgen des pandemiebedingten Stillstands bewältigen können.
„Wir müssen aufhören, Online-Handel und stationären Handel als Konkurrenten zu sehen. Vielmehr können wir den stationären Handel dadurch stärken, indem wir ihn digital ertüchtigen und den Online- mit dem Offline-Einkauf verzahnen“, erläutert Marco Junk, Geschäftsführer des BVDW.
Die größte Herausforderung für den stationären Handel ist nach wie vor die stark rückläufige Einkaufsfrequenz. Dieser Frequenzrückgang wurde durch die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung natürlich massiv weiter beschleunigt und verstärkt. „Der Einzelhandel als Kernbranche vitaler Innenstädte steht in Folge der Corona-Krise insbesondere im Bekleidungsbereich in vielen Fällen vor der Insolvenz. Am Ende der Krise könnten bis zu 50.000 Geschäfte vom Markt verschwunden sein. Das hat Auswirkungen auf ganze Innenstädte“, konkretisiert Stephan Tromp, stellvertretender HDE-Hauptgeschäftsführer. In der Folge ist abzusehen, dass etliche Handelsunternehmen die Krise nicht überstehen werden. Die Dynamik dieser Veränderungen in der Versorgungsqualität erfordert das rasche und koordinierte Handeln aller Innenstadtakteure.
HDE und BVDW sind der Auffassung, dass eine sinnvolle Durchdringung technologischer Innovationen die Händler entlastet, Kunden ein Einkaufserlebnis bietet und den Standort Innenstadt attraktiver macht. Jedoch können rund 60 Prozent der Handelsunternehmen in Deutschland derzeit aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und der Corona-Maßnahmen nicht in ihre Zukunft investieren. Deshalb fordern BVDW und HDE Maßnahmen, die Investitionen in Innovationen und digitale Grundausstattung wie Kassen-systeme, Warenwirtschaftssysteme und Systeme zur Abbildung lokaler und stationärer Verfügbarkeit von Waren ermöglichen. Maßnahmenpakete aus Steuervergünstigungen, Abschreibungen oder Zuschüssen stärken lokalen Handel sowie den aufstrebenden Technologiestandort Deutschland.
„Damit der Mittelstand in unseren Innenstädten in dieser Krise nicht unverschuldet den Anschluss verliert, braucht es ein staatliches Förderprogramm, Vernetzung der betroffenen Innenstadtakteure und funktionierende Infrastruktur. Ansonsten drohen verödete Stadtzentren“, führt Tromp weiter aus.
Zudem braucht es Vorreiter, Pilotprojekte und die notwendige Infrastruktur, um das Zusammenwachsen von lokal und digital sowie die Krisenbewältigung zu ermöglichen. Hier kann die Politik Maßstäbe setzen: mit der Bereitstellung von breitflächigem und schnellem WLAN, mit einem Ausbau von E-Government-Angeboten und mit Richtlinien zur Interoperabilität von Software (Standard APIs, Standard- Formate, Open Source). Diese Handlungsoptionen der künftigen Regierung sollten evaluiert und ausgeschöpft werden, um die Rahmenbedingungen für eine digitalisierte, lebendige und wirtschaftlich erfolgreiche Innenstadt zu schaffen.
Darüber hinaus muss es einen stetigen, offenen und konstruktiven Austausch zwischen Händlern, Tech-Unternehmen, Startups, Verbänden, Politik und Verwaltung geben, um lösungsorientiert die Problemlage zu analysieren. Deshalb schlagen BVDW und HDE die Einführung eines Retail Tech Roundtables mit den zuständigen Ministerien vor, der quartalsweise entsprechende Stakeholder zur gemeinsamen Arbeit und gegenseitigen Vernetzung zusammenbringt.